Welcher Schützentyp bin ich?

Wie erkennt man den gut trainierten Schützen, und welche Schützentypen gibt es? Mit welchen Trainings können wir uns auf die Bewegungsjagd vorbereiten, und wie können wir unsere Schiessleistung verbessern? Berufsjäger Gianni Parpan weiss Rat.

Veröffentlicht am 16.07.2021

Text: Gianni Parpan | Fotos: Gianni Parpan, Karl-Heinz Volkmar, Rafal Lapinski

In Zeiten der bevorstehenden Afrikanischen Schweinepest, den steigenden Rotwildbeständen und der damit einhergehenden weiteren Ausbreitung dieser Art in der Schweiz, den zum Teil hohen Wildschäden in der Wald- und Landwirtschaft und damit bedingt der nötigen, effektiven Regulierung unserer Schalenwildbestände, nehmen die Anforderungen an Drückjagden in der Schweiz, aber auch in unseren Nachbarländern enorm zu. Der alte Trend «viele Schützen = viel Strecke» ist zum Glück vielerorts gebrochen. Etliche Jagdleiter haben das Problem bereits erkannt, optimieren ihre Gesellschaftsjagden und Jagdabläufe und setzen verstärkt auf gute Stöberhunde in Kombination mit gut trainierten Schützen.

Durch meine Tätigkeit als selbständiger Berufsjäger bin ich von Anfang Oktober bis Ende Januar auf ca. 35 Drückjagden im Jahr in verschiedensten Funktionen tätig, z.B. als Jagdleiter oder als Nachsuchenführer, als Hundeführer im Treiben, als Treiberchef oder als Standschnaller, je nachdem was der Kunde wünscht oder wo er Bedarf hat. Ganz selten, meistens privat, bin ich einfach nur als Schütze im Einsatz. Aber ganz egal, ob ich privat als Schütze oder geschäftlich als Jagdleiter tätig bin, mir ist aufgefallen, dass immer dieselben Jäger über die Jahre hinweg gute Strecke machen, meist Mehrfach-Abschüsse, und immer dieselben Schützen oft leer ausgehen oder vereinzelt mal ein Stück erlegen. Ich bin überzeugt, dass sich dieses Muster auch bei den Gesellschaftsjagden, an welchen man selber teilnimmt, beobachten lässt.

Erstaunliche Feldversuche
Als Jagdleiter bin ich jeweils in der Situation, dass ich zusammen mit dem Obmann der Jagdgesellschaft bzw. mit dem Jagdherrn für die Standverteilung zuständig bin. Also fing ich versuchsweise an, sichere Schützen, die immer gute Strecke machen, auf Stände zu bringen, wo oft viel gesehen, aber kaum was erlegt wurde. Und die sogenannten «Bringerstände», wo das meiste Wild erlegt wurde, mit Schützen zu besetzen, die schon viele Jahre mitjagen, selten oder nie Strecke machen, aber immer ein volles Standprotokoll mit Beobachtungen hatten.
Erstaunlicherweise hatte dies, trotz anfänglicher Bedenken, kaum Einfluss auf die Strecke. Diese wurde lediglich auf andere Stände und Revierteile verteilt. Egal, ob ich dies nun in Bayern, Baden-Württemberg, in Tschechien oder in Schweizer Revierkantonen umsetzte. Am Streckenplatz konnte ich wieder den üblichen Schützen mehrere Brüche überreichen. Andere hatten wieder volle Standprotokolle mit Beobachtungen, aber kaum was zur Strecke beigetragen.
Interessanterweise konnte ich länderübergreifend feststellen, dass weder die Erfahrung der Schützen, noch die körperliche Fitness, das Alter oder das Geschlecht der Jäger eine Rolle spielten. Viel mehr waren bei den «Strecke-Bringer-Schützen» folgende Gemeinsamkeiten festzustellen:

• sicheres, schnelles Ansprechen
• Selbstvertrauen
• Selbstbeherrschung und Geduld
• hohes Trainingsniveau
• Beutewille ja, aber nicht um jeden Preis

Wenn ich die Schützen einer Drückjagdgesellschaft schubladisieren müsste, würde ich sie nicht wie oben benannt in «Strecke-Bringer-Schützen» und in «Standbesetzer» einteilen. Der aufmerksame Beobachter erkennt beim dynamischen Kugelschuss durchaus mehrere Schützentypen. Es ist auch nicht so, dass man ein Jägerleben lang in derselben Schublade steckt, sondern sich durch Fleiss, Training, durch die Freigabe und mentale Einstellungswechsel durchaus verändern kann.

Die Schützen-Typen

Der Konservative
Dazu gehören Jäger, die nach wie vor der Meinung sind, auf ein sich bewegendes Ziel könne man nicht weidmännisch schiessen. Sie kennen die Jagd mit der Kugel nur vom Ansitz aus und sind ohne Schwarzwild gross geworden. Diese Jäger versuchen, im Sitzen, auf der Drückjagdbockbrüstung oder auf dem Zielstock aufgelegt verhoffenden Stücken eine Kugel anzutragen. Bei Rehwild sicherlich die richtige Variante, bei einer Bewegungsjagd auf Schwarzwild, wo man oft auf kurze Entfernungen schiesst, ist dies nahezu chancenlos. Dieser Schützentyp bringt zwar ab und zu ein Stück Rehwild zur Strecke, aber 80% seiner jagdlichen Situationen bleiben leider ungenutzt. Für die Geselligkeit nach der Jagd sind dies oft super Typen, auf effizienten Jagden, wo man reichlich Strecke machen will, sind sie weder vielversprechend noch zielführend.

Der Unsichere
Darunter fallen oft unerfahrene Schützen, die in ihrer ersten Saison auf Bewegungsjagden sind. Der weidgerechte Schuss auf ein Tier in Bewegung ist Neuland für sie. Oder es sind Schützen, die auch während des Jahres kaum jagen, aber den gesellschaftlichen Einladungen im Herbst aus verschiedenen Gründen Folge leisten wollen. Für Training und Waffenhandhabungspraxis fehlt ihnen die Zeit und manchmal vielleicht auch schlicht und einfach das Interesse. Als konsequenter Jagdleiter muss ich diese Gruppe an unsicheren Schützen aussortieren und sie waffenlos mit den Treibern mitschicken.

Der Untrainierte
Das ist der Typ Schütze, der zwar oft an Bewegungsjagden teilnimmt, und im Laufe der Saison auch besser wird, aber ausser für den Schiessnachweis auf bewegende Ziele kaum einen Schiessstand oder ein Schiesskino von innen sieht. Am Streckenplatz kommt dieser Schützentyp manchmal mit einem Stück an, aber genauso viele Schüsse gehen vorbei. Oft trauert er noch der wunderbaren Jagdsituation nach, die er nicht genutzt hat. Jedes Mal nimmt er sich vor, nächstes Jahr mehr zu üben. Und zack ist es schon wieder Herbst und ausser dem Erlangen des Schiessnachweises hat er wieder nichts getan, um seine Schiessfähigkeiten zu verbessern. Im Anschlag mit beiden Augen offen, repetieren ist Wunschdenken für ihn.

Der Blockierte
Dies sind oft gute Schützen, die durch ein negatives Erlebnis geprägt sind. Vielleicht haben sie mal ein falsches Stück erlegt oder mehrmals nacheinander vorbeigeschossen. Die Angst, wieder einen Fehler zu machen, hemmt sie, die Kugel aus dem Lauf zu bringen. Sie warten oder suchen nach jagdlichen Situationen auf der Bewegungsjagd, die es kaum oder nur ganz selten gibt. Mit diesem Schützen-Typ kann man mit Training im Schiesskino viel erreichen. Jagdliche Situationen im scharfen Schuss können miteinander durchgegangen werden. Dank regelmässigem Üben und Erfolg im Schiesskino können mentale Blockaden gelöst werden – der Schütze gewinnt dadurch Sicherheit und Übersicht.

Der Zögerliche
Der Zögerliche ist ähnlich gehemmt wie der Blockierte, nur nicht durch ein negatives Erlebnis geprägt, sondern oft sind dies von Natur aus Menschen mit wenig Selbstvertrauen. Die Angst, das Ziel zu verfehlen oder einen Fehlabschuss zu tätigen, ist grösser als der Wille nach Beute und einem schönen Jagderlebnis. Andere Jäger werden zum zögerlichen Schützen, wenn sie mit dem anwechselnden Wild nicht vertraut sind. Defizite im Ansprechen lassen uns zurecht zögern, und dies ist auch gut so. Wenn der Zögerliche aber mal schiesst, dann passt die Kugel in der Regel hundertprozentig.

Der Unbeherrschte
Der unbeherrschte Schütze ist der gefährlichste Schütze in unserem Bunde. Meist haben diese Schützen hohe Ansprüche an sich selber und trainieren dementsprechend auch ordentlich. Was ihnen fehlt, ist die Musse, den Schuss im richtigen Moment abzugeben. Sie nutzen oft jede Gelegenheit, das Wild zu beschiessen und haben nicht die nötige Geduld und das Können, die beste Gelegenheit für den Schuss abzuwarten. Meist bereits mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass so noch mehr Platz da ist für einen allenfalls zweiten, dritten und/oder vierten Schuss. Hier kann man grosse Fortschritte erzielen, indem man im mentalen Bereich arbeitet, z.B. durch einen selbst auferlegten Schiesskodex.

Der Solide
Der Solide ist ein gut trainierter Schütze, der seine Grenzen kennt. Er macht regelmässig Strecke und ist sicher im Ansprechen. Durch regelmässiges Training ist er sich gewohnt, stehend frei, mit beiden Augen offen, zu schiessen und im Anschlag zu repetieren. Er behält auch nach dem Schuss die Übersicht und ist fähig, ein zweites Stück sauber zu strecken. Genauso gut kann er aber den Finger auch gerade lassen, wenn die Situation für ihn nicht passt und das Stück z.B. dem Nachbarschützen besser kommt. Regelmässig kommt er mit einem sauber geschossenem Stück an den Streckenplatz.

Der Profi
Unter dem Typ «Profi» meine ich nicht den Berufsjäger, denn auch bei dieser Berufsgattung gibt es alle Schützentypen. Vielmehr zeichnet sich unter «Profi» der Schütze aus, der beim Angehen des Standes sich die Wechsel einprägt und sich die Vorhaltemasse bei entsprechender Fluchtgeschwindigkeit vormerkt. Extrem schnell und sicher ist er im Ansprechen, hat die Geduld, den richtigen Moment für den Schuss abzuwarten und hält jederzeit die souveräne Übersicht. Chancen werden effizient genutzt, und er braucht wenig Platz und wenig Zeit für einen guten Schuss. Er beherrscht intuitives und sicheres Schiessen auch auf engen Schneisen. Sein Ziel: Strecke machen – aber nicht um jeden Preis.

Welche Faktoren bestimmen den Erfolg?
Es gibt Faktoren, die sind vom Schützen beeinflussbar. Es sind dies die körperliche Fitness, die Tagesform, die Schiessfähigkeiten, die mentale Einstellung, sowie die verwendete Waffe, Optik und Munition. Bei diesen Punkten können wir Einfluss nehmen, uns verbessern und optimieren.

In anderen Punkten, wie dem Wetter, dem zugeteilten Drückjagdstand, den jagdlichen Situationen und Chancen oder der Freigabe, hat der Schütze keinen oder zumindest keinen unmittelbaren Einfluss. Konzentrieren wir uns also auf die ersten beiden Punkte, die in unserer Hand liegen: die körperliche Tagesform und unsere Schiessfähigkeiten.

Die körperliche Tagesform, d.h. die optimale Funktion unserer Muskulatur und unseres Gehirns, egal ob auf der Jagd oder in einem anderen Lebensbereich, hängt von vier wesentlichen Dingen ab: Sauerstoff, Zucker, Flüssigkeit und Wärme. Oft stockt dem Schützen der Atem vor lauter Jagdfieber, wenn z.B. das laute Rascheln des Laubes eine Rotte Sauen ankündet, die direkt auf seinen Stand zieht. Und gerade hier wäre eine optimale Atmung, sprich Sauerstoffversorgung des Gehirns, für den perfekten dynamischen Kugelschuss bei höchster Konzentration nötig. Atmet bewusst tief durch die Nase ein – und durch den Mund aus, selbst bei der Schussabgabe wird der Atem nicht angehalten! Im Idealfall bricht der Schuss, wenn ca. 2/3 der Luft unseres Atemzugs durch den Mund ausgeatmet wurde. Dieses Ausatmen sollte auf die ganze Mitschwingbewegung der Waffe, respektive des Oberkörpers gleichmässig verteilt werden. Zur körperlichen Fitness gehört natürlich auch, dass man genug geschlafen hat und erholt zur Drückjagd erscheint. Auch auf Alkohol am Vorabend sollte verzichtet werden, am Jagdtag selber sowieso, dies ist selbst erklärend.

Flüssigkeit und Zucker
Auch auf der Jagd ist eine optimale Flüssigkeitszufuhr eminent wichtig. Ich empfehle jedem, während des ganzen Tages ausreichend Flüssigkeit zu sich zunehmen. Ob Süssgetränk, Wasser oder Tee ist jedem selbst überlassen, Hauptsache man trinkt genug. Um bei längeren Treiben nicht in ein «Zuckerloch» zu fallen, lohnt es sich, ein Schoggistängeli dabei zu haben. Manchmal reicht auch schon ein Kaugummi oder ein Hustenbonbon, welches uns auch bei einem Kratzen im Hals helfen kann, unsere Geräuschkulisse tief zu halten.

Wärme
Gerade an kalten Drückjagdtagen ist die Thermoregulation etwas vom wichtigsten. Wer beim Sammelplatz schon friert, beispielsweise wegen der langen Wartezeiten bei der Jagdscheinkontrolle, dem wird auch anschliessend auf dem Stand kaum mehr warm werden. Unsere Muskulatur sollte fürs dynamische Schiessen warm und geschmeidig sein. Dazu wärmen wir uns auf dem Stand z.B. durch Probeanschläge oder leichte Aufwärm- und Auflockerungsbewegungen dezent und geräuscharm auf. Zudem ziehen wir uns richtig an, im Zwiebelprinzip; gut sichtbar, ausreichend warm, weit und bewegungsfreundlich, funktionell und atmungsaktiv, sowie «wind- und wetterfest». Gerade unseren Füssen sollten wir ein grosses Augenmerk schenken. Hat man kalte Füsse, friert man oft am ganzen Körper. Kalt und steif gefroren, können wir nicht mehr unsere optimale Schiessleistung abrufen. Ich persönlich bevorzuge mittlerweile den guten Winterbergschuh gegenüber dem schweren Winterstiefel. Nur schon das Profil des Bergschuhs bringt viele Vorteile, z.B. beim Bergen von Wild oder beim Besteigen des Standes. Einige meiner Berufskollegen nehmen sogar einen kleinen Teppich mit auf den Stand. Dieser isoliert gut von unten und bietet besten Halt bei Drehbewegungen.

Schiessfertigkeiten
Natürlich können wir auch die eigene Schiessfähigkeit beeinflussen. Sie lässt sich gut daheim «kalt» trainieren. Sei es das Repetieren mit Pufferpatronen, die Verinnerlichung des Gefühls für den Abzug, das Trainieren des Schwungverhaltens, die Koordination der Atmung, quasi die Förderung der Auge-Hand-Koordination und des Muskelgedächtnisses. Noch besser und natürlich auch zwingend ist das «heisse» Training. Die laufende Keiler-Scheibe eignet sich dafür gut, um die Anschlagtechnik im scharfen Schuss zu trainieren. Zudem kann hier auch die Präzision und der gesamte Schussablauf kontrolliert werden, da hier die Rahmenbedingungen vorhersehbar, konstant und beliebig oft wiederholbar sind. Besonders empfehlenswert ist das Schiesstraining im Schiess- oder Jagdkino. Dieses eignet sich noch besser, um Schnelligkeit, Ansprechverhalten, intuitives Zielen, Muskelgedächtnis, Atmung, Waffenhandhabung und Magazinwechsel unter Stresseinfluss, sowie den Umgang mit ständig wechselnden Bedingungen für das flüssige Schiessen zu trainieren. Zudem können persönliche Grenzen ohne Tierleid ausgelotet und erkannt werden!

Egal in welcher Schublade Sie sich selber einordnen, das stetige Trainieren mit der eignen Waffe im dynamischen Kugelschuss ist das A und O. Ich sage immer: Schiessen ist wie Fahrrad fahren, wenn du es einmal gemacht hast, weisst du, wie es geht. Willst du aber richtig gut werden, z.B. um bei der Tour de France mitzufahren, musst du hart und viel trainieren. Genauso ist es beim jagdlichen Schiessen. Der Jagdleiter, das eigene Ego und nicht zuletzt die beschossene Kreatur werden es von Herzen danken.

Der Autor
Gianni Parpan ist gelernter Berufsjäger und Inhaber von prowaidwerk.ch, professional hunting services.

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